Scham in der Pubertät

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Thomas
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Scham in der Pubertät

Beitrag von Thomas »

Unser Sohn ist 12 1/2 Jahre und hat immer noch großflächige Nävi an Rücken und Po (Dermabrasion hatte nicht wirklich geholfen).
Nun stellt sich in seinem Alter - wie vorherzusehen - viel Scham über seine Flecken ein. Seit Schulhalbjahresbeginn hat er Schwimmunterricht und - wie Jungs so sind - begutachten die sich und albern rum, schauen in die Umkleidekabinen etc. Unser Sohn empfindet große Scham, dass seine Flecken von seinen Mitschülern "entdeckt" werden und er sich Spott bzw. "blöden Bemerkungen" aussetzen muss. Das macht ihm so viel Angst, dass er gar nicht mehr zum Schwimmunterricht gehen will - obwohl er eigentlich total gerne schwimmt.
Vielleicht hat jemand hier Erfahrungen mit Kindern in der Pubertät und wie wir unserem Sohn am besten "helfen" können.
Ich freue mich über Rückmeldungen!
Felix
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Re: Scham in der Pubertät

Beitrag von Felix »

Servus ausMünchen,

wir befürchten das gleiche Thema bei Leopold auch, der intnsiv und großflächigst betroffen ist, er ist allerdings erst 6 jahre alt.

Wir haben uns entschieden, jetzt mit Einschulung eine psychopädriatische Begleitung zu initiieren, die dann auch die Aufgabe hat das Schamgefühl "zu bearbeiten", ob das gelingen wird bleibt abzuwarten. Ein besuch bei Kinderpsychologen kann aber nicht schaden, denn Dritte haben ggf. einen anderen EInfluss.

Andere Kinder "zeigen" sich auch und es braucht glaube ich den berühmten ersten Schritt um damit offen umzugehen. Man kann hier ggf. mit Beispielen arbeiten, z.B. facebook , wo eben Betroffene damit offen umgehen.

Ein ungewöhnliches Beispiel ist sicherlich: http://www.heftig.co/ciera-swaringen/ (auch auf facebook)

Vielleicht kann sowas unterstützen???

Viele Grüße

felix
Felix Pahnke
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Juliane
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Re: Scham in der Pubertät

Beitrag von Juliane »

Hallo Thomas!
Ich habe auch einen Nävus und kann die Situation von deinem Sohn sehr gut nachvollziehen. Wenn man sich wegen seines besonderen/andersartigen Aussehens ausgeschlossen fühlt und aus Angst bestimmte Situationen meidet und sich unwohl fühlt, kann das dazu führen, dass man sich auch einsam fühlt. Daher kann es sein, dass es für deinen Sohn toll ist, andere Kinder/Erwachsene mit Nävus zu sehen, und sei es nur auf einem Foto…falls ihr bei Facebook angemeldet seid, empfehle ich dort die Gruppe von Nevus Outreach, dem amerikanischen Nävus-Verein, da dort sehr viele Mitglieder angemeldet sind und man viele Fotos von Menschen mit Nävus sehen kann.
Außerdem gibt es eine spezielle Facebook-Gruppe für Teenager aus aller Welt, allerdings nur englischsprachig. Falls dein Sohn dort beitreten möchte, sag mir einfach Bescheid.

Du könntest mit deinem Sohn sprechen, was man tun kann, damit er sich beim Schulschwimmen wohler fühlt. Evt. kann man die Lehrer mit ins Boot nehmen, wenn dein Sohn nichts dagegen hat. Vielleicht darf er sich dann in einem anderen Raum umziehen oder etwas früher zum Umziehen gehen als die anderen. Außerdem können die Lehrer achten besonders auf eventuelle Hänseleien achten und einschreiten.

Es könnte auch hilfreich sein, im Vorfeld den anderen Schülern zu erklären, was ein Nävus ist…falls dein Sohn sich traut, könnte er ggf. selbst einen kleinen Vortrag über kongenitale melanozytäre Nävi halten. Damit würde man Tuscheleien den Wind aus den Segeln nehmen.

Mir haben meine Freunde immer sehr geholfen, wenn ich mal gehänselt wurde. Oft musste ich selbst gar nicht reagieren, weil eine meiner Freundinnen schon etwas zu der hänselnden Person gesagt hat...das hat sich immer gut angefühlt und mir sehr den Rücken gestärkt!

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Außerdem es gibt tolle Broschüren von Caring Matters Now, dem englischen Nävus-Verein:
http://www.caringmattersnow.co.uk/suppo ... iterature/
u.a. diese Broschüre für Eltern zum Umgang mit der Pubertät, wenn Kinder einen Nävus (CMN) haben: http://www.caringmattersnow.co.uk/wp-co ... sguide.pdf
Ich habe ein paar Absätze daraus (frei) übersetzt:
U.a. steht dort, dass mit der Pubertät auch das Bewusstsein für die eigene „Andersartigkeit“ verstärkt werden kann und starken Einfluss auf das Selbstbewusstsein nehmen kann.
Es wird empfohlen, dass Kind /den Teenager zu ermutigen, offen über seine Gefühle und Ängste zu sprechen und diese als Erwachsener ernst zu nehmen.
Außerdem können Eltern ihr Kind bestärken, indem sie erklären, dass es normal ist, Ängste oder Zweifel zu haben und daran erinnern, dass vermutlich jeder in diesem Alter diese Gefühle kennt. Und man kann ansprechen, dass es „normal“ nicht gibt, jeder ist anders.
Eltern sollten positiv über das Äußere des eigenen Kindes sprechen/eingestellt sein: Selbstvertrauen und Selbstwert spielen eine wichtige Rolle in Bezug auf die Bewältigung von negativen Gefühlen. Negative Äußerungen der Kinder über ihr eigenes Aussehen sollte man mit positiven Äußerungen und Komplimenten begegnen, z.B. „Du hast ein tolles Lächeln“, „Du siehst toll aus in dem Outfit“, „Du hast so schöne Augen“ etc.
Man sollte wohlmeinende Aussagen wie „Keine Sorge, auf die inneren Werte kommt es an!“ vermeiden, da viele junge Leute mit Nävus das als abwertende Aussage über ihr Aussehen interpretieren, welches ihnen – wie jedem anderen auch – sehr wohl wichtig ist. Das Kind sollte spüren, dass sowohl die inneren als auch die äußeren Werte von den Eltern positiv wahrgenommen und beschrieben werden.
Das Selbstbewusstsein kann auch durch Äußerlichkeiten gestärkt werden, z.B. durch einen neuen Haarschnitt, die coolste Badehose etc.
Ein positives Selbstbild kann auch durch die Förderung von Aktivitäten und Interessen gestärkt werden, denn Talente und positive Eigenschaften stärken das Selbstbewusstsein. Daher ist es hilfreich, das Kind oft an seine Vorzüge und alles zu erinnern, worin es gut ist…tanzen, singen, kochen, Sport, etc.

Zum Umgang mit den Reaktionen anderer Leute wird Folgendes geschrieben:

1. Sicherstellen, dass das Kind etwas zu sagen hat
Man sollte sicherstellen, dass das Kind klare und zutreffende Informationen über den Nävus hat. Das hilft dem Kind dabei, ein Repertoire von Antwortsätzen zu entwickeln, die es verwenden kann, wenn jemand nach den Muttermalen/dem Nävus fragt, z.B.: „Ich wurde mit einem (Riesen-)Muttermal/Nävus geboren. Es ist nichts Dramatisches und es tut nicht weh.“ Bei Bedarf kann man auch einige Sätze mit dem Kind zuhause einüben. Das Kind muss nicht auf die Reaktion anderer warten, es kann auch selbst die Initiative ergreifen und sagen, „ich habe gesehen, dass du mein Muttermal bemerkt hast. Es tut überhaupt nicht weh.“ Und dann evt. mit einer eigenen Frage abschließen, die nichts mit dem Nävus zu tun hat, z.B. „Bist du heute auch vom 3m-Brett gesprungen?“

2. Vorbildfunktion
Eltern dienen ihren Kindern als Vorbilder, nicht nur bezogen auf das, was man sagt, sondern auch darauf, wie man etwas sagt. Indem die Eltern in entspannter, selbstbewusster und lockerer Weise reagieren, geben sie das beste Vorbild für ihr Kind ab und können ihm so Handwerkszeug für soziale Interaktionen mitgeben.

3. Rückversichern
Eltern sollten versuchen, ihrem Kind zu versichern, dass einer der Hauptgründe für die Blicke anderer Leute ist, dass diese mit ihm kommunizieren wollen. Es ist ein natürlicher Bestandteil der Kommunikation, dass man sein Gegenüber anschaut.
Es kann sein, dass Blicke als unangenehm wahrgenommen werden, besonders, wenn man sich selbst mit seinem Aussehen nicht wohlfühlt. Aber es ist wichtig zu erklären, dass Menschen von Natur aus neugierig sind und wir uns alle umschauen und mehr über etwas erfahren möchten, was neu für uns ist.

4. Umgang mit Unhöflichkeit
Einige Leute sind unhöflich, stellen Vermutungen an oder wissen nicht, wie man angemessen auf ein ungewöhnliches Aussehen reagiert. Eltern sollten dem Kind zeigen, wie man in diesen Fällen bestimmt reagiert. Ein Weg, der dem Kind ermöglicht, auf eine selbstbewusstseinsfördernde Weise mit Unhöflichkeit umzugehen, liegt darin, dass das Kind in die Lage versetzt wird, zu sagen, was es fühlt und möchte, ohne böse oder ausfallend zu werden.
Es könnte sagen:
• Ich habe einen Nävus, das ist ein Muttermal. Ich sehe vielleicht anders aus, aber ich kann hören und was du gesagt hast, ist sehr verletzend.
• Ich mag es nicht, wenn Leute starren/glotzen. Wenn du neugierig bist, sag lieber Hallo oder stell mir eine Frage.
Es ist auch okay, wenn es einfach weggeht und (in der Schule) zu einem Lehrer geht.

5. Falls alles zu viel wird
Es wird Zeiten geben, in denen das Kind keine Lust hat, anderen zu antworten/auf andere zu reagieren. Eltern sollten es wissen lassen, dass das auch okay ist. Das Kind ist nicht dazu verpflichtet, jedesmal etwas zu erklären, wenn es nicht möchte. Manchmal ist es wichtiger für das Kind (und für die Eltern) etwas anderes zu tun, um sich zu beruhigen und zu entspannen.
In diesen Momenten kann es dem Kind helfen, an Erfahrungen zu denken, die positiv waren und gut gelaufen sind und zu versuchen, sich positive Aussagen zu überlegen, die es zu sich selbst sagen kann, um gegen negative Gedanken anzugehen, wenn es neue Leute kennenlernt.
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Viele Grüße & niemals den Spaß am Schwimmen verderben lassen,

Juliane
Vanessa N.
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Re: Scham in der Pubertät

Beitrag von Vanessa N. »

Hallo Ihr Lieben,

vor den Blicken Anderer habe ich auch solche Angst. Lio ist jetzt 3 Monate und der Sommer steht bald vor der Tür. Aber irgendwie fehlt mir als Mama das Selbstbewusstsein, einfach mit Lio schwimmen zu gehen. Ich überlege die ganze Zeit was ich ihm anziehen könnte, dass man es nicht sieht. Ich selber würde auch gucken wenn ich ein Kind sehen würde der einen Novus hat und ich es nicht kennen würde. Ich bin schon so weit das ich nur bei meinen Eltern im Pool mit ihm schwimmen gehe, aber ich möchte Lio es auch nicht vorenthalten mit anderen Kindern zu plantschen. Wenn ich daran denke, bin ich schon wieder nur am weinen. Lio ist es egal, aber ich bin irgendwie noch nicht soweit. Ich würde mich so gerne mit jemanden unterhalten der selber mit einem Nävus lebt um zu verstehen wie es ist und zu wissen was auf Lio alles zukommt. Ich hoffe in der Schulzeit ist der größte Teil schon verschwunden,denn im Januar 17 startet die erste OP in Tübingen.

Liebe Grüße Vanessa
Felix
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Re: Scham in der Pubertät

Beitrag von Felix »

Danke für Deinen Beitrag Juliane,
ich habe mir gedacht, dass das ggf. auch mal ein Thema für unser Treffen wäre....

Ich kann nur sagen, dass wir als Eltern einerseits unseren Jungen durchaus haben nackig springen lassen, das Umfeld hat es registriert und dann als OK empfunden.

Nun ist Loopi schon 6 und hat ein Schamgefühl hins. siener Andersartigkeit entwickelt, wobei man sagen muss, dass er wirklich sehr stark betroffen ist. ich weiß nicht, ob er das ablegen kann, ich nehme an, das hängt eben sehr mit seinem Selbstbewusstsein zusammen, wenn er eben alles auch richtig einschätzen kann....

es bleibt nix anderes übrig als Ihn zu unterstützen, wei Juliane es geschrieben hat.

viele Grüße

felix
Felix Pahnke
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Thomas
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Re: Scham in der Pubertät

Beitrag von Thomas »

Hallo und Danke an alle, die sich auf meine Nachricht gemeldet und einige gute Hinweise haben. Krankheits- und berufsbedingt reagiere ich leider spät und bitte um Entschuldigung. Wir haben mittlerweile eine "Zwischenlösung" mit unserem Sohn gefunden. Mal schauen, wie lange und wie gut das "trägt". Ist schon eine schwierige Phase, diese Pubertät und - richtig - das erfordert viel positive und bestärkende Begleitung. Ich bin am Ende auch zuversichtlich, dass unser Sohn lernt, damit umzugehen. Zu seinem Nävus am Kopf steht er mittlerweile auch und hat sogar Spaß, sine Haare zu stylen. Eine "Lösung" gibt es wohl nicht wirklich, und es gibt auch immer wieder Rückschläge. Unser Sohn ist zusätzlich stark hörgeschädigt und braucht im Unterricht eine Funkanlage. Das hatte er und das hatte die Klasse auch gut akzeptiert. Dennoch: seit einigen Wochen will er "die Dinger im Ohr" nicht mehr, weil das "nervt" und "total uncool" ist. So kann es gehen - aber ich setze auf sein insgesamt gesundes Selbstbewusstsein, das ihm hilft. Und daran können wir als Eltern immer wieder neu mitarbeiten - sofern er das zulässt (aber das ist noch mal eine andere Pubertäts-Baustelle). Danke und herzliche Grüße, Thomas
Felix
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Re: Scham in der Pubertät

Beitrag von Felix »

Hallo Thomas,
es wäre dennoch nett, wenn Du Dich bzw. Dein Sohn uns anschliest. Man ist so nicht alleine und sieht, dass es auch andere Jungs und Mädels mit Nävus gibt. Wir treffen uns einmal im Jahr.
schreibe doch falls Interesse besteht an Anja.Bohner@naevus-netzwerk.de, wir würden usn freuen.

Eine Frage aber habe ich dennoch. Har der Hörverlust mit dem Nävus zu tun? Wurde dieser Zusammenahng ggf. untersucht?
(Gerne auch direkt: Felix.Pahnke@Naevus-netzwerk.de)

viele Grüße

felix
Felix Pahnke
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Chrissi3386
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Re: Scham in der Pubertät

Beitrag von Chrissi3386 »

Hallo!
Ich bin gerade über den Beitrag gestolpert.....
Unsere Tochter ist auch sehr großflächig betroffen, uns wurde auch schon gesagt, das es nicht ganz entfernt werden kann.
Sie ist zwar erst zwei Jahre alt, aber ich mache mir jetzt schon Gedanken, wie das mal wird, wenn sie versteht das sie "anders" ist..... davor hab ich ehrlich gesagt extrem angst....
Ich versuche damit offen umzugehen, es weiß auvh jeder in unserem Umfeld davon und sie gehen da alle super mit um, nachdem der erst schock überwunden ist...
Ich kann aber vanessa sehr gut verstehen, das sie "angst" hat, mit ihrem sohn ins Schwimmbad zu gehen..... ich selbst kann mit greta auch nur gehen, wenn ich mich stark genug fühle, was mir auvh total leid tut, weil greta so eine wasserratte ist....
Ich habe schon total tolle reaktionen gehabt, da hat zb im schwimmbad (greta hatte nur eine badehose an) ein mädchen ihre mama gefragt, was denn das mâdchen hâtte, die mama meinte, das ist ein großes muttermal, aber das das nix schlimmes ist, das Mädchen kam daraufhin zu uns und wollte mit ihr spielen..... ich war der mama so dankbar!!!!!
Allerdings hat letztes jahr auh ein papa sein kind aus dem becken geholt, als wir rein sind..... ich war so verletzt und geschockt.... aber wir sind nicht gegangen, obwohls mir echt dreckig ging und ich am liebsten geweint hätte.... meine bekannte, die mit uns und ihrem sohn da war, kam dann demonstrativ zu uns ins wasser....
Vanessa, ich kann dir glaub ich nur den rat geben, spring ins kalte wasser und geh mit ihm.... nimm dir jemand mit, dem du vertraust, der dich unterstützen kann und guck was passiert.... und am besten legst du dir schonmal einen spruch zurecht, mit dem du dich wehren kannst....in solchen Situationen krieg ich den dann zwar net raus, aber es hilft einen zu haben.....

Ich bin echt froh, das ich/wir nicht allein sind mit unseren ängsten.....
Ich würde mich freuen, auch in persönlichen kontakt mit eltern treten zu können.....
Lg Christina
Gesperrt